«Niemand verlässt eine Firma, weil er woanders etwa mehr verdienen kann.»

20.02.23

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Wie bauen sich Unternehmen ein Image auf, damit sie geeignete Fachkräfte anwerben und bestehende Mitarbeitende halten können? Patrick Mollet*, Experte für Employer Branding, rät, mutig zu sein: «Arbeitgeber sollten nicht nur sagen, wen sie suchen, sondern auch, wer nicht zur Firma passt.»


Redaktion/Interview: etextera, Agentur für Text und Design

Herr Mollet, was ist für Sie Employer Branding – in einem Satz erklärt?
Die strategische und authentische Positionierung einer Organisation als attraktiver Arbeitgeber – für bestehende, aber auch für künftige Mitarbeitende.

Wozu braucht es eine starke Arbeitgebermarke?
Der Arbeitsmarkt hat sich sehr gewandelt – von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt. Vor zehn Jahren konnte man ein Inserat schalten, sich abwartend zurücklehnen und dann aus einer Vielzahl von Bewerbungen die geeignetste Person auswählen. Mittlerweile ist längst der Kampf um die besten und smartesten Mitarbeitenden entbrannt. Fachkräfte sind Mangelware, Unternehmen mit veralteten Strukturen und Rekrutierungsmethoden haben schlechte Karten. Umso wichtiger ist es für Firmen, sich zu positionieren, um mit einem authentischen, klaren Auftritt ihre Zielgruppen zu erreichen.

Wie sieht so ein klarer Auftritt aus?
Viele Unternehmen machen den Fehler und überlegen lediglich «Was würde gut tönen?», «Was wollen potenzielle Mitarbeitende hören?». Deshalb präsentieren sich vor allem KMU oft sehr austauschbar: Als «innovativ», «familiär» und mit «flachen Hierarchien» preist sich heute fast jede Organisation an, das ist nicht differenziert.

Arbeitgeber sollten sich fragen: Wofür stehe ich? Aber auch: Was erwarte ich?

Was wäre besser?
Bei einem klaren Auftritt geht es vor allem um Glaubwürdigkeit. Deshalb sollten sich Arbeitgeber zunächst fragen: Wofür stehe ich? Was kann ich versprechen? Wie sieht die Unternehmenskultur aus? Aber auch: Was erwarte ich? Und: Was passt zu uns?

Welche Kanäle eignen sich, um seine Arbeitgebermarke zu präsentieren?
LinkedIn funktioniert sehr gut für Spezialisten, je nach Branche auch Instagram; für andere passt ein Printinserat besser. Letztendlich sollten Firmen möglichst authentisch auftreten – und das Employer Branding nicht nur HR überlassen, sondern bestehende Mitarbeitende miteinbeziehen. Manche Unternehmen drehen etwa Videobotschaften, in denen Mitarbeitende zu Wort kommen und berichten, wie es ist, für besagte Firma zu arbeiten. Kurz: Authentizität statt Hochglanzbroschüren!

Was macht einen attraktiven Arbeitgeber aus?
Inhalt des Jobs und Lohn sind natürlich wichtige Kriterien. Doch was Mitarbeitende langfristig am meisten motiviert und ans Unternehmen bindet, sind kulturelle Faktoren: Wie respektvoll und fair ist das Management gegenüber Angestellten? Erfahre ich für meinen Arbeitseinsatz Wertschätzung? Ist Teamgeist zu spüren, ein Zusammengehörigkeitsgefühl? Testimonials, in denen Mitarbeitende zeigen, wie die tägliche Zusammenarbeit funktioniert, sind für Unternehmen deshalb der grösste Schatz. So können Interessenten abwägen, ob sie zur Kultur passen. Vor die Wahl gestellt zwischen Firma A mit höherem Lohn und Firma B mit ansprechenderen Kultur, entscheiden sich immer mehr Arbeitnehmende für Firma B.

Präsentieren sich Unternehmen in der Schweiz bereits als attraktive Arbeitgeber?
Es gibt noch viel Nachholbedarf – auch wenn in den letzten Jahren einige Unternehmen aktiver geworden sind, weil sie gemerkt haben: Wir müssen etwas tun! Grosse Unternehmen – wie Banken und Versicherungen – sind bereits gut aufgestellt und haben zum Teil eigene Employer-Branding-Abteilungen. Bei KMU hingegen ist es oft eine Frage der Ressourcen – finanziell wie personell. Generell gilt: Wer um Mitarbeitende kämpfen muss, hat sich bewegt – wie etwa Gesundheitswesen, Informatik, Hotellerie und Gastgewerbe. Wer die freie Auswahl hat, eher nicht.

Zufriedene Mitarbeitende sind die besten Botschafter

Welche Firmen machen es richtig gut?
Baggenstos zum Beispiel, eine kleine IT-Firma. Deren Jobinserate sind wie Websites aufgebaut, auf denen Interessenten sehr viel Anschauliches über das Unternehmen erfahren. Oder die Fachkräfte- und Imageplattform work life Aargau des Kantons Aargau. Hier präsentieren sich Unternehmen mit Testimonials von Mitarbeitenden, die etwa zeigen, wie die Büros aussehen oder wo Angestellte ihre Pausen verbringen – alles weiche Faktoren, die eine grosse Rolle spielen.

Was Unternehmen extern versprechen, müssen sie allerdings auch intern halten.
Genau, Employer Branding wirkt immer nach aussen und innen. Deshalb darf ich als Firma nicht nur die Rekrutierung im Blick haben, sondern muss mich auch fragen, wie ich gute Mitarbeitende halte. Klar ist: Alles steht und fällt mit deren Zufriedenheit. Niemand verlässt eine Firma, weil er woanders etwas mehr verdienen kann – Mitarbeitende verlassen eine Firma, weil die Kultur nicht stimmt. Ausserdem sind zufriedene Mitarbeitende die besten Botschafter bei der passiven Jobsuche: Will sich in deren privaten Umfeld jemand beruflich umorientieren, sind sie ideale Vermittler. Gleichzeitig müssten Arbeitgeber mutiger sein.

Wie meinen Sie das?
Arbeitgeber sollten nicht nur präsentieren, wer sie sind und wen sie suchen, sondern auch klarmachen, wer nicht zur Firma passt. Oft positionieren sich Unternehmen als offen für die ganze Welt – was der falsche Ansatz ist. Vielmehr müssen sie deutlich sagen: «Für diese und jene Personen sind wir nicht der richtige Arbeitgeber.» Ich vergleiche das gern mit dem neuen iPhone 12: Wer ein einfaches Gerät ohne Schnickschnack will, für den ist es das falsche Handy. Bin ich als Unternehmen also nicht mutig und differenziere mich nicht, bleibe ich für Interessenten austauschbar und unattraktiv.

 

Zur Person
*Patrick Mollet beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit der Frage, was einen attraktiven Arbeitgeber ausmacht und wie die Zukunft der Arbeit aussieht. Mollet ist Co-Owner von Great Place To Work Switzerland, einem internationalen Forschungs- und Beratungsinstitut. Dieses unterstützt in rund 60 Ländern Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Firmen- und Arbeitsplatzkultur.

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